Frauenleben in europäischen Demokratien des 20. Jahrhunderts

Frauenleben in europäischen Demokratien des 20. Jahrhunderts

Veranstalter
Arbeitskreis Demokratie und Geschlecht des Instituts für Zeitgeschichte München–Berlin in Kooperation mit dem LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte (Münster), dem Deutschen Historischen Institut London und der Universität Bayreuth (LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte)
Ausrichter
LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte
Veranstaltungsort
Münster
PLZ
48147
Ort
Münster
Land
Deutschland
Findet statt
Hybrid
Vom - Bis
16.05.2024 - 17.05.2024
Deadline
01.10.2023
Von
Julia Paulus, Geschlechtergeschichte / Neuere und Neueste Geschichte, LWL-Institut für Regionalgeschichte

Zweitägiger Workshop in Münster zu Frauenbiografien und Demokratiegeschichte(n) in Europa im 20. Jahrhundert

Frauenleben in europäischen Demokratien des 20. Jahrhunderts

Der Arbeitskreis Demokratie und Geschlecht des Instituts für Zeitgeschichte München–Berlin lädt in Kooperation mit dem LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte (Münster), dem Deutschen Historischen Institut London und der Universität Bayreuth am 16./17. Mai 2024 zu einem zweitägigen Workshop nach Münster ein. Im Fokus dieses Workshops sollen Frauenbiografien und Demokratiegeschichte(n) in Europa im 20. Jahrhundert stehen.

Ausgangspunkt der Veranstaltung ist die Feststellung, dass Demokratiegeschichte(n) bis heute überwiegend über ‚männlich‘ markierte Protagonisten erzählt werden, aus deren Perspektive und in der Hauptsache bezogen auf ihr Handeln. Demgegenüber fragt dieser Workshop dezidiert nach den Erfahrungen, Partizipationsvorstellungen und selbst erlebten Handlungsmöglichkeiten von Frauen∗ in den europäischen Demokratien des 20. Jahrhunderts sowie danach, wie deren Zeugnisse heute gelesen und biografisch erzählt werden (können).

Trotz Wahlfreiheit und Gleichheitsversprechen unterlag die demokratische Teilhabe im 20. Jahrhundert weiterhin im hohen Maße exkludierenden Regeln, die sich an traditionellen ‚Grenzlinien‘ wie class, race und – so der Fokus des Workshops – gender orientierten. Europäische Beispiele gibt es viele: In Frankreich etwa beteiligten sich Frauen aktiv an den Diskussionen um die demokratische Ausgestaltung der Dritten Republik, doch wurden sie aus den politischen Gestaltungs- und Machtstrukturen ausgeschlossen. Politische Rechte wurde ihnen erst in der Übergangsregierung nach dem Ende des Vichy Regimes 1944 zugesprochen. In Deutschland partizipierten Männer in der Vereins- bzw. Parlamentskultur seit spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts, Frauen hingegen war parteipolitisches Agieren bis 1908 per Vereinsgesetz verboten. In der Weimarer Republik verhinderte das Wörtchen „grundsätzlich“ in Paragraf 109 der Reichsverfassung die umfassende Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der ersten deutschen Demokratie. Seit 1949 gilt das von Elisabeth Selbert (1896-1986) propagierte und in Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes festgeschriebene Gleichheitsgebot bis heute als einzulösender politischer Auftrag. – und dies in erster Linie vor einer binärgeschlechtlichen Matrix, die Ehe und Familie bis ins 21. Jahrhundert ausschließlich heteronormativen Menschen erlaubte. Auch im postkommunistischen Polen führte die Demokratisierung bzw. „Europäisierung“ des Staates in den 1990er und 2000er-Jahren nicht unbedingt zu mehr politischer Teilhabe und sozialer Gleichberechtigung von Frauen∗, und auch in den US-amerikanischen Staaten werden liberale Frauenrechte derzeit abgebaut.

Vor diesem Hintergrund möchte der Workshop aktuelle Forschungen zu Biografien von Frauen∗ zusammentragen und entlang folgender Fragen analysieren:
- Wie wirkten sich demokratiegeschichtliche Umbrüche im Europa des 20. Jahrhunderts auf die Biografien von Frauen∗ aus?
- Was verstehen wir bzw. definieren wir als „Frauen∗biografie“?
- Wie analysieren und verfassen wir Biografien zu Frauen∗ in demokratischen Kontexten?
- Inwiefern waren Zuschreibungen über die Kategorie Geschlecht (überhaupt und wenn in welcher Weise) eine relevante Größe bei der (Selbst-)Interpretation dieser Biografien?
- Welche Auswirkungen hatten soziale und kulturelle Umbrüche im Geschlechterverhältnis und in den Geschlechtervorstellungen auf ‚die Demokratie‘ bzw. auf das Handeln in Demokratien und inwiefern veränderte – vice versa – ‚die Demokratie‘ auch tradierte Geschlechterverhältnisse?
- Ermöglicht ein biografischer Zugriff auf Frauen∗ neue Erkenntnisse über Umbruchphänomene, so etwa zu Übergängen von Diktaturen zu Demokratien?
- Wie verändern frauen- und queerbiografische Perspektiven geschichtswissenschaftliche Narrative über Demokratien im 20. Jahrhundert? Inwiefern sind etablierte Periodisierungen zu überdenken?
- Und schließlich: Inwiefern sind Lebensgeschichten zu Frauen∗ bis heute überlagert von heteronormativen Stereotypen? Inwieweit findet sich – implizit wie explizit – die im 19. und bis weit ins 20. Jahrhundert propagierte Idee vermeintlicher Geschlechtscharaktere, samt entsprechender Vorstellungen von Privatheit und Öffentlichkeit, in Konzepten und Debatten über politische bzw. demokratische Repräsentation und Partizipation?

Thematisch fragen wir möglichst offen nach Forderungen sowie Handlungsformen und Räumen der demokratischen Partizipation von und für Frauen∗. Uns interessieren neben Biografien herausragender Persönlichkeiten insbesondere Lebenserzählungen sogenannter ‚ordinary people‘. Damit zielen wir auf aktuelle Forschungen und Darstellungen zu:
- beruflicher (Aus-)Bildung, (Erwerbs-)Arbeit und politischer Mitgestaltung (in Institutionen und/oder zivilgesellschaftlichen Kontexten);
- biografischen Analysen vor sich verändernden Bedingungen (gesetzlicher) Gleichstellungsmaßnahmen;
- Handlungsspielräumen von Frauen und queeren Personen in Bezug auf individuelle ‚Selbstbestimmung‘.

Wir freuen uns auf Abstracts bis max. 500 Wörter bis zum 1. Oktober 2023. Willkommen sind Beiträge aus allen Ländern Europas, in deutscher und englischer Sprache.

Die zweitägige Veranstaltung der AK Demokratie & Geschlecht des Instituts für Zeitgeschichte München–Berlin findet am 16. und 17. Mai 2024 in Münster statt, in Kooperation mit dem LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, dem DHI-London und der Universität Bayreuth. Die Konferenzsprache ist Deutsch; englische Beiträge sind möglich. Eine Übernahme der Anreise- und Unterkunftskosten für Vortragende ist sichergestellt.

Kontakt

Dr. Julia Paulus, LWL-Institut für Regionalgeschichte, Karlstr. 33, 48147 Münster (julia.paulus@lwl.org)

https://www.lwl-regionalgeschichte.de/de/institut/team/julia-paulus/?edit&language=de
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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